Immer mehr Elendsviertel auf der ganzen Welt werden als Reiseziele angeboten. Der sogenannte Slumtourismus führt in die Armenviertel von Metropolen wie Kapstadt, Rio de Janeiro, Nairobi, Mumbai oder Jakarta. Hintergrund: Armut soll die Suche nach „echter Kultur“ befriedigen, berichtet das Nachrichtenportal pressetext.
Keine touristische Nische mehr
Besetzte der Slumtourismus bisher allenfalls eine touristische Nische, ist er mittlerweile wohl bereits im Mainstream angelangt. Schon bald könnte die jährliche Millionengrenze erreicht werden, heißt es in einem Interview der Osnabrücker Sozialgeografen Andreas Pott und Malte Steinbrink mit pressetext. „Wie zuvor der Strand oder die Altstadt, wird nun auch der Slum zum universellen Destinationstypus. Sogar einzelne internationale Veranstalter bieten mittlerweile Touren in die Elendsviertel an“, berichtet Steinbrink.
Die Beispiele sind vielfältig: mit „Asian Trails“ geht es einen halben Tag lang durch den Klong-Toey-Slum in Bangkok. Auch in Rio de Janeiro existieren geführte Touren durch ehemals von Drogenkartellen kontrollierte Favelas. Touristen wollen eigentlich dem Alttag entfliehen und sich erholen. Beim Slumtourismus assoziiert man die Ziele jedoch eher mit negativ behafteten Dingen wie Kriminalität, Armut und Drogen.
„Soziales Bugee-Jumping“
„Aufs Erste erscheint es deshalb wie eine Art ’soziales Bungee-Jumping‘, als seien Touristen hier von der Angstlust getrieben, die mögliche Höhe des sozialen Falls mit eigenen Augen, Ohren und Nasen ausloten zu wollen, ohne dabei jedoch selbst hart zu landen“, sagt Steinbrink. Slumming-Touren stehen bei vielen Menschen für Authentizität und eine besondere Erfahrung von Kultur. „Erwartungen prägen die Wahrnehmung dabei allerdings genauso wie die Inszenierung durch den Touranbieter. Allzu leicht verallgemeinern Touristen und denken nach dem kurzen Erleben, sie würden nun wissen, was Armut ist“, so Pott.
Die Gefahr beim Armutstourismus bestehe darin, dass die Wirklichkeit verklärt werde, konstatieren die Sozialforscher. Vom Tourismus selbst profitieren zumeist einzig und allein die Veranstalter, während die Bewohner leer ausgehen. Dies berichten Steinbrink und Kollegen im zuletzt erschienen Buch „Slum Tourism: poverty, power, ethics“.