Ein verlustarmes Hochspannungsleitungsnetz (Supergrid), das laut Vereinbarung der „North Sea Countries Offshore Grid Initiative“ bis Ende 2020 quer durch Europa auf dem Meeresgrund verlegt werden soll, stellt den neun an der Planung des ökologischen Stromnetzes beteiligten Staaten (Luxembourg, Deutschland, Grossbritanien, Belgien, Frankreich, Niederlande, Irland, Dänemark, Norwegen) eine grössere Unabhängigkeit von bestehenden Atom-Kraftwerken zur Stromgewinnung in Aussicht. Eine erste Vernetzung durch ein rund 580 km langes Untersee-Gleitstromkabel besteht bereits zwischen Norwegen und den Niederlanden, wodurch überschüssiger Windstrom aus den Niederlanden in norwegischen Pumpspeicher-Stauseen gelagert werden kann und Norwegen im Gegenzug bei Bedarf Öko-Strom aus norwegischen Wasserkraftwerken in die Niederlande liefern kann. So ist die Verwertung von Strom aus erneuerbaren Energien für die Erzeuger ganzjährig gewährleistet und die jahreszeitlichen Schwankungen, die z.B. bei der Wind-und Sonnenenergie entstehen, spielen keine Rolle mehr. Der Ausbau und die Finanzierung dieses ambitionierten Projektes, das den europäischen Ausstieg aus der Atomenergie erheblich erleichtern würde, soll gemeinschaftlich von der Wirtschaft und den Energiekonzernen geleistet werden.
Bis der Ausbau der erneuerbaren Energien die Stromleistungen aus den bestehenden Kernkraftwerken ersetzen kann, wollen aber z. B. die AKW-Betreiber in Deutschland nicht auf die im Jahr 2010 vereinbarten Laufzeitenverlängerungen der bestehenden Atommeiler verzichten und wehren sich gegen das Atom-Moratorium der Bundesregierung, das nach der nuklearen Katastrophe in Fukushima für die Dauer von drei Monaten eine Abschaltung und erneute Sicherheitsüberprüfung der sieben ältesten Meiler in Deutschland veranlasst hat. Der Energiekonzern RWE klagte beim Verwaltungsgerichtshof Kassel gegen die Schliessung seines AKW Biblis A mit der Begründung, die Atomkraftwerke in Deutschland erfüllten alle Sicherheitsstandards und könnten wie vereinbart weiterlaufen. Die vier grössten Stromkonzerne RWE, EON, Vattenfall und EnBW stellten „vorerst“ ihre Zahlungen der an die Laufzeitenverlängerungen gekoppelte Energieabgabe in den Ökofonds ein bzw. entrichten ihre Raten auf ein gesperrtes Sonderkonto, bis die Regierung zu neuen Verhandlungen bereit sei.
Grundsätzlich sind alle europäischen Energiekonzerne zum nachhaltigen Ausbau der erneuerbaren Energien bereit, wie das Projekt „Supergrid“ anschaulich beweist. Allerdings befürchten einige der grossen europäischen Netzbetreiber durch einen zu raschen Ausstieg aus der Atomkraft Engpässe in der Stromversorgung ihres Landes und lehnen einen „sofortigen“ Ausstieg aus der Atomkraft ab. In Deutschland kann nach Aussage der Energiekonzerne ohne die Leistungen aus den vorläufig abgeschalteten Kraftwerken nicht genügend Strom produziert werden und es sei somit spätestens im Herbst und Winter mit Versorgungsengpässen für die deutsche Bevölkerung zu rechnen. Ein sogenannter „Stresstest“ soll Klarheit über die Leistungsfähigkeit der Stromnetze geben.
Es ist wohl noch ein weiter Weg, bis Europa über das geplante Gleitstromkabelnetz nach Norwegen von den norwegischen Wasserkraftwerken und Stauseen profitieren und durch die Vernetzung den Strom aus erneuerbaren Energien in Norwegen lagern und ganzjährig nach Bedarf verteilen kann.